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Nachdem der EuGH mit seinem Urteil im Juli 2012 – C-128/11 (UsedSoft) – festgelegt hatte, dass gebrauchte Software grundsätzliche weiterverkauft werden darf, hat er in seiner aktuellen Entscheidung vom 19.12.2019  – C-263/18 (Tom Kabinet) diesen Grundsatz nicht auf eBooks erweitert. Der Weiterverkauf von eBooks ist mithin nicht ohne Zustimmung des Urhebers bzw. Nutzungsrechtsinhaber zulässig. Das Gleiche muss auch für digitale Musikwerke gelten, wie sich aus den nachfolgenden Erläuterungen ergibt:

Entscheidend ist für die Zulässigkeit des Weiterverkaufs von digitalen Gütern, ob die sog. „digitale Erschöpfung“ zu bejahen ist. (vgl. EuGH a.a.O. Ziffer 33). Der sog. Erschöpfungsgrundsatz im urheberrechtlichen Sinn, § 17 Abs. 2 UrhG,  begrenzt das sog. (Erst)Verbreitungsrecht. Wer ein Werk oder ein Vervielfältigungsstück veräußert, soll über dieses konkrete Werk keine weiteren Verfügungsmöglichkeiten mehr haben. Dieses Recht soll nun dem neuen Eigentümer zustehen. Anders ist es hingegen, wenn der Urheber das Werk nur vermieten oder verleihen will. Dann greift der Erschöpfungsgrundsatz nicht.

Für E‑Books hat der EuGH das nun in der Entscheidung „Tom Kabinet“  verneint: Mit dem Download eines E‑Books tritt keine Erschöpfung ein. DerTenor des Urteils lautet wie folgt:

„Die Überlassung eines E Books zur dauerhaften Nutzung an die Öffentlichkeit durch Herunterladen fällt unter den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ und insbesondere unter den Begriff der „Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind“, im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.“

Der EuGH begründet dieses u.a. mit Verweis auf die Erwägungsgründe 23, 24 und insbesondere 28 und 29 der Richtlinie 2001/29 zum Verbreitungsrecht, wonach insbesondere „anders als bei CD-ROM oder CD-I, wo das geistige Eigentum in einem materiellen Träger, d. h. einem Gegenstand, verkörpert ist,  jede Bereitstellung eines Online-Dienstes im Grunde eine Handlung ist, die zustimmungsbedürftig ist, wenn das Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht dies vorsieht.“ Außerdem ergäbe sich „aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29, dass dieses Recht nur auf die Verbreitung eines in einem Gegenstand verkörperten Werks Anwendung findet“.

Da ein E-Book kein Computerprogramm sei, kämen die spezifischen Bestimmungen der Richtlinie 2009/24 für Softwareprogramme, die nach Auffassung des EuGH in seiner 2012 ergangenen Entscheidung die Zulässigkeit des Verkaufs gebrauchter Computerprogramme rechtfertigen, nicht zur Anwendung.

Die Grundsätze der Verbreitung körperlicher Werkstücke sind nach dieser Entscheidung also nicht auf den Vertrieb digitaler Werke übertragbar. Das gilt folglich nicht nur für eBooks, sondern auch für digitale Musik/Tonwerke.

Der EuGH hat damit die Auffassung deutscher Gerichte, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach § 17 UrhG nicht auf E‑Books und Hörbücher übertragen werden kann (siehe z.B. OLG Stuttgart, Urteil v. 3. November 2011, OLG Hamm, Urteil v. 15. Mai 2014 und OLG Hamburg, Beschluss v. 24. März 2015) bestätigt.