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Lange schon wartete man auf der Verbraucherseite auf eine ausdrückliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) zu der Frage, ob der Widerruf eines Darlehensvertrages einen Rechtsmissbrauch darstellt, wenn seit der Darlehensvereinbarung bereits längere Zeit vergangen ist. Nun hat der BGH entschieden, wenngleich nicht so deutlich, wie man es sich gewünscht hat. Klargestellt hat der BGH jedenfalls, dass allein der Schutzzweck des Widerrufsrechts, dass der Verbraucher seine Entscheidung überdenken können soll, einer wesentlich späteren Ausübung des – aufgrund fehlerhafter Belehrung noch zulässigen – Widerrufsrechts nicht entgegensteht.

In der Sache XI ZR 501/15 schloss der Kläger nach seiner Behauptung in einer Haustürsituation am 25. November 2001 mit der Beklagten einen Darlehensvertrag, der der Finanzierung einer Beteiligung an einer Fondsgesellschaft diente. Das Darlehen wurde bis zum 15. Januar 2007 vollständig zurückgeführt. Mit Schreiben vom 20. Juni 2014 widerrief er seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Das Landgericht Hamburg wies mit Urteil vom 15.04.2015 (301 O 156/14) die Klage auf Zahlung und Freistellung Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung und auf Feststellung ab, da es das Widerrufsrecht als verwirkt ansah. Das Hanseatische OLG Hamburg wies die dagegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 16.10.2015 (13 U 45/15) zurück. Es lehnte zwar die Verwirkung des Widerrufsrechts mangels Vorliegen des sog. Umstandsmomentes ab. Allerdings sah es die Ausübung dieses Rechts als unzulässige Rechtsausübung an. Der gesetzgeberische Sinn des Widerrufsrechts beruhe auf der Komplexität der Regelungen eines Darlehensvertrages und deren schwerer Durchschaubarkeit. Die Widerrufsfrist solle es dem Verbraucher ermöglichen, sich die getroffene Vereinbarung noch einmal  zu überdenken und auch möglicherweise günstigerer Angebote zu ermitteln. Dem Kläger sei es jedoch nur darum gegangen, das „sehenden Auges“ eingegangene Risiko zu beseitigen. Neben dieser Motivlage sei in die Gesamtabwägung der ganz erhebliche Zeitablauf und der Umstand einzubeziehen, dass die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht dem Grunde nach durchaus belehrt habe. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Der BGH folgte dem OLG nicht. Das Motiv des Klägers, sich von den negativen Folgen einer unvorteilhaften Investition lösen zu wollen, dürfe dem Kläger nicht allein deshalb zur Last gelegt werden, weil es außerhalb des Schutzzwecks des HWiG lag. Die Karlsruher Richter verwiesen die Sache gleichwohl an das Oberlandesgericht Hamburg zurück, das klären soll  tatsächlich ein Haustürgeschäft vorlag. Sofern dieses zu bejahen ist, hat das OLG zu klären, ob der Kläger aus sonstigen Gründen rechtsmissbräuchlich gehandelt oder sein Widerrufsrecht verwirkt hat.

Mit dieser Entscheidung hat der BGH jedenfalls klargestellt, dass der häufig von Kreditinstituten verwendete Einwand, die Ausübung des Widerrufsrechts sei missbräuchlich, da der Schutzzweck des Widerrufrechtes der Übereilungsschutz sei und dieser aufgrund länger zurückliegender Vertragsverhandlungen und entsprechend hinreichend früherer Möglichkeiten zum Widerruf nicht mehr bestehe, nicht mehr greift.

Indem der BGH die Sache allerdings an das OLG zurückverwiesen hat, um für den Fall des Vorliegens eines Haustürgeschäftes zu prüfen, ob der Widerruf aus sonstigen Gründen rechtsmissbräuchlich oder verwirkt sei, wird es sicherlich auch in Zukunft seitens der Kreditinstitute den Einwand des Rechtsmissbrauchs geben – dann aber mit neuer/anderer Begründung. Es kann daher leider nicht davon ausgegangen werden, dass  die Gerichte nicht auch weiter mit Fragen zur Wirksamkeit eines Widerrufs beschäftigt sein werden.

13. Juli 2016

 

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