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Die heute vom BGH in zwei Verfahren (XI ZR 549/14 und XI ZR 101/15) ergangenen Entscheidungen wurden mir Spannung erwartet. Ging es doch – vermeintlich – darum, ob der BGH seiner seit längerem eingeschlagenen verbraucherfreundlichen Rechtsprechung treu bliebe. Folgendes stand zur Entscheidung:

Ein Verbraucherschutzverein hatte im  Wege der Unterlassungsklage die mangelnde Deutlichkeit der von Sparkassen jeweils verwendeten Widerrufsinformationen geltend gemacht.In dem Verfahren XI 101/15 hatte der Verein zudem gerügt, dass durch die Verwendung der sog. Ankreuzoption von dem Inhalt der Widerrufsinformation abgelenkt werde.

In den Vorinstanzen waren in beiden Verfahren klagabweisende Urteile ergangen.

Nun blieb auch die Revision ausweislich der heute veröffentlichen Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs erfolglos. Der BGH verneinte jedenfalls für alle nach dem 11.06.2010 erteilten Widerrufsinformationen eine grundssätzliche Pflicht zur Hervorhebung der Pflichtangaben.

Zur Begründung führt der BGH an, dass die Pflichtangaben zwar klar und verständlich sein müssten, eine Hervorhebung aber nur für den Fall erforderlich sei, dass das Muster gem. Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB zwecks Erlangung der Gesetzlichkeitsfiktion verwendet worden sei.

Hinsichtlich der Ankreuzoptionen (XI ZR 101/15)  ist der BGH der Auffassung, dass sich dem Gebot einer klaren und verständlichen Gestaltung nicht entnehmen ließe, dass dieses allein durch die Verwendung von Ankreuzoptionen verletzt sei.

Anmerkung:

Was auf den ersten Blick als Abkehr von der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung erscheinen mag, ist es bei genauerer Prüfung nicht. Der BGH bleibt verbraucherfreundlich. Die bislang aufgestellten Regeln (Urteile) zur Fehlerhaftigkeit insbesondere von Widerrufsbelehrungen werden durch die aktuellen Urteile nicht umgestoßen.

In seinen aktuellen Urteilen zeigt der BGH einmal mehr, dass Verbraucherschutz nicht bedeutet, dem Verbraucher jedwede Eigenverantwortung abzunehmen. Denn längst gilt nicht mehr das noch bis in die 90er Jahre vorherrschende Bild des „flüchtigen Verbrauchers“, d.h. eines „an der Grenze zur Debilität verharrenden, unmündigen, einer umfassenden Betreuung bedürftigen(n), hilflose(n) Verbraucher(s), der auch noch gegen die kleinste Gefahr der Irreführung (…) geschützt werden muss“ (so Volker Emmerich 1995). Die Rechtsprechung des EuGH prägte vielmehr das  inzwischen vorherrschende Verbraucherleitbild des „verständigen Durchschnittsverbraucher“. Ein solcher Verbraucher ist der, der angemessen informiert, aufmerksam und kritisch ist; der grundsätzlich bereit und in der Lage ist, Informationen zur Kenntnis zu nehmen, kritisch zu verarbeiten und sich entsprechend auch nicht allzu leicht täuschen zu lassen.

Von einem solchen Verbraucher kann erwartet werden, dass er einen Vertrag zumindest gründlich liest. Und dass er dabei eine Widerrufsinformation zur Kenntnis nimmt, die mit der entsprechenden Überschrift in den allgemeinen Vertragsbedingungen enthalten ist.

Auch bei der Ankreuzoption kann der verständige Verbraucher erkennen, welche Optionen für ihn gelten oder eben nicht.

Die beiden Urteile stehen keinesfalls im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH hinsichtlich der genauen Bezeichnung des Fristbeginns (z.B. mit „frühestens“). Denn dort geht es nicht mehr um die bloße Kenntnisnahme, sondern um die Interpretation des Inhaltes der Widerrufsbelehrung. Eine solche Interpretation kann auch von einem verständigen Verbraucher nicht erwartet/verlangt werden.

Offen bleibt zu dem Thema Widerrufsinformation insofern auch weiterhin, ob die bloß beispielhafte Aufzählung der Pflichtvoraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist ausreichend ist. Es fragt sich, ob selbst einem verständigen Verbraucher auferlegt werden kann, die komplexen gesetzlichen Regelungen, die selbst Juristen Mühe bereiten können, dahingehend zu prüfen, ob die in ihnen festgelegten Voraussetzungen für den Fristbeginn auch tatsächlich vorliegen.In der neueren Rechtsprechung der Landgerichte (München, Hamburg, Ravensburg u.a.) ist das jedenfalls – meiner Ansicht nach zu Recht – verneint worden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die jeweils betroffenen Kreditinstitute in die Berufung gehen werden. Bis zur Revision ist es jedenfalls noch ein langer  Weg – aber sicher wird auch hierzu eine Entscheidung des XI. Senats ergehen.