040 / 303 911 73 office@commandeur.org

Mit Urteil vom heutigen Tage (22. November 2016 – XI ZR 434/15) hat der 11. Senat des Bundesgerichtshofes erneut ein wichtiges Signal gegeben. Nachdem über die ordnungsgemäße Formulierung des Fristbeginns bei älteren Verträgen („Die Frist beginnt frühestens“ oder „Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor  …“) bereits mehrere Urteile des BGH vorliegen, stand eine Entscheidung zu der in Verbraucherdarlehensverträgen ab 11. Juni 2010 bzw. deren Widerrufsinformation häufig verwendeten (und in dem seinerzeit gültigen gesetzlichen Musterformular enthaltenen) Fristbeginn “ Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB* (z.B. …) erhalten hat“, noch aus.

Hierbei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Kreditinstitute den o.g. Fristbeginn in dem Klammerzusatz mit unterschiedlichen Beispielen versehen haben. So sah das gültige gesetzliche Musterformular (Anlage 7 EGBGB) einer Widerrufsinformation die Beispiele „Angabe zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angaben zur Vertragslaufzeit“ vor. Einige Kreditinstitute haben allerdings diese Beispiele nicht übernommen, sondern anstelle dessen – wie auch in dem nun vom BGH entschiedenen Fall – folgende Beispiele genannt: „Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde“.

Der BGH hat in seiner Entscheidung (ohne dass allerdings bereits die Urteilsgründe hierzu veröffentlicht sind) die beispielhafte Aufzählung als grundsätzlich ausreichend im Interesse des Verbraucherschutzes angesehen. Er hat in dem zu entscheidenden Fall gleichwohl den Widerruf für wirksam erachtet, da sich die Angaben der zuständigen Aufsichtsbehörde nicht in dem Vertrag wiederfanden. Mithin hatte die Sparkasse die von ihr – ergänzend zu den gesetzlichen Vorgaben – als notwendig erachteten Pflichtangaben für den Beginn der Widerrufsfrist nicht erteilt, so dass der Fristbeginn nicht in Gang gesetzt wurde und der Widerruf des Verbrauchers folglich wirksam war.

Der BGH hat die Sache gleichwohl an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses klärt, ob der Widerruf rechtsmissbräuchlich erfolgte und welche Rechtsfolgen sich – sofern eine Rechtsmissbräuchlichkeit zu verneinen ist – aus dem Widerruf ergeben.

Erst die Urteilsgründe werden zeigen, welche Erwägungen den BGH dazu bewogen haben, die bloß beispielhafte Aufzählung der – selbst für Juristen nicht ohne weiteres ausfindig zu machenden – Pflichtangaben des § 492 Abs. 2 BGB als ausreichend anzusehen. Für viele Widerrufe ist das Urteil des BGH jedenfalls das „Aus“.

Verbraucher sollten nun genau prüfen, ob die in der Widerrufsinformation ihres speziellen Darlehensvertrages beispielhaft genannten Pflichtangaben, insbes. jene zur Aufsichtsbehörde, sich auch tatsächlich in dem Vertrag finden. Zudem ist auch darauf hinzuweisen, dass die Widerrufsbelehrung jedenfalls hinreichend deutlich dargestellt sein muss. Dem steht das Urteil des BGH vom 23.02.2016 nicht entgegen. Denn in dem dortigen Fall hatte ein Verbraucherschutzverein eine Widerrufsbelehrung überprüfen lassen. Die Überprüfung fand daher abstrakt und allein auf Basis der bei Klagerhebung aktuellen Rechtslage – und NICHT nach der Rechtslage zum Zeitpunkt eines konkreten Vertragsschlusses statt.  Für Verträge, die in dem Zeitraum vom 30.07.2010 bis 12.06.2014 geschlossen wurden, ist aber aufgrund der seinerzeitigen Gesetzeslage durchaus eine andere Wertung denkbar.

Fazit der BGH-Entscheidung vom heutigen Tage ist:
1. Verbraucherdarlehensverträge aus dem Zeitraum ab 11.06.2010, deren Widerrufsinformation im Rahmen des Fristbeginns die beispielhafte Formulierung: „Angabe zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angaben zur Vertragslaufzeit“ enthält, können nur bei Vorliegen weiterer Fehler der Widerrufsbelehrung wirksam widerrufen werden.
2. Verbraucherdarlehensverträge aus dem Zeitraum ab 11.06.2010, deren Widerrufsinformation im Rahmen des Fristbeginns jedenfalls auch die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde nennt bzw. verlangt, können grundsätzlich auch heute noch widerrufen werden. In jedem Fall sollte bei jedweder Abweichung von den unter 1. genannten Angaben überprüft werden, ob die tatsächlich genannten Angaben sich auch in dem Vertrag wiederfinden.

Gern überprüfe ich Ihren Darlehensvertrag darauf, ob weiterhin ein Widerrufsrecht besteht.