Das Thema ist weiterhin aktuell: Die Kündigung von Bausparverträgen durch die Wüstenrot AG und andere Bausparkassen. Aufgrund der Niedrigzinspolitik kündigen Bausparkassen vermehrt Bausparverträge, auch wenn diese zwar zuteilungsreif sind, die vereinbarte Bausparsumme aber noch nicht erreicht wurde. Bislang hatte die Rechtsprechung überwiegend die Kündigung ab Zuteilungsreife zugelassen. Das OLG Stuttgart hat nun in einer Entscheidung gegen die Wüstenrot AG die Kündigung vor Erreichen der Bausparsumme für unzulässig erklärt. Rechtlich ergibt sich folgende Beurteilung der Kündigung eines Bausparvertrages:
Die Bausparkassen begründen ihr Kündigungsrecht mit der gesetzlichen Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (bzw. 609a Abs. 1 Nr. BGB alte Fassung). Diese Vorschrift wird in der Tat von der Rechtsprechung einheitlich als Rechtsgrundlage für die Kündigung eines Bausparvertrages angesehen.
Bei einem Bausparvertrag ist zwischen der sog. Anspar- und der anschließenden Darlehensphase zu unterscheiden. Während der Ansparphase wird der Bausparvertrag als umgekehrter Darlehensvertrag angesehen, bei dem der Bausparer der Darlehensgeber und die Bausparkasse der Darlehensnehmer ist. Gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (bzw. 609 a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F.) ist die Kündigung eines Darlehens zehn Jahre nach dem vollständigen Empfang des Darlehens möglich. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate. Die Frage, wann bei einem Bausparvertrag das Darlehen als vollständig empfangen gilt, wird unterschiedlich beantwortet.
So wurde bislang in der Rechtsprechung wohl überwiegend die Meinung vertreten, das Darlehen gelte als vollständig empfangen, wenn der Vertrag seine Zuteilungsreife erreicht habe (so z.B. OLG Hamm, OLG Köln). Diese Auffassung vertritt auch das Landgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 24.03.2016 (330 O 314/15). Das LG Hamburg sieht es dabei allerdings auch als erheblich an, dass der Bausparer zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als 15 Jahre keine Leistungen auf den Bausparvertrag erbracht hatte. Die Gerichte verkennen in ihren Urteilen, dass der Bausparer die Zuteilung grundsätzlich nicht annehmen muss, er mithin das Recht behält, den Bausparvertrag weiter anzusparen. Zudem ist der Bausparer nach den ABB regelmäßig verpflichtet, den Regelsparbeitrag auch nach Zuteilung weiter zu zahlen. Das steht aber dann einem Kündigungsrecht entgegen. Sofern die Gerichte die Zuteilungsreife als maßgeblich ansehen und eine entsprechende Kündigungsberechtigung darauf stützen, dass andernfalls der Bausparer den Bausparvertrag durch verzögertes Ansparen unzulässig in die Länge ziehen könnte, verkennen sie, dass die Bausparkasse einer Verzögerung der Ansparung – zeitnah – durch entsprechende Fristsetzung mit Kündigungs-androhung entgegentreten kann. Hierauf hat auch die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) in ihrem Journal vom September 2015 ausdrücklich hingewiesen. Schließlich widerspricht es auch dem von den Bausparkassen im Zusammenhang mit der Bewerbung von Bausparverträgen ausdrücklich genannten Zweck des Sparens, wenn die Bausparkassen sich nun unter Verweis auf die Niedrigzinspolitik darauf zurückziehen, sie könnten mit Zuteilungsreife den Vertrag kündigen.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat nun jüngst in einer Entscheidung, in welcher eine Kündigung der Wüstenrot AG zu beurteilen war, zugunsten des Bausparers entschieden. Denn es vertritt die Ansicht, dass ein vollständiger Empfang des Darlehens erst mit Erreichen der Bausparsumme zu bejahen sei. Das OLG hat zutreffend darauf verwiesen, dass der vollständige Empfang erst dann vorliege, wenn der Bausparer als Darlehensgeber das Darlehen der Bausparkasse als Darlehensnehmerin entsprechend der vertraglichen Vereinbarung in Höhe des Darlehensnettobetrages zur Verfügung gestellt hat. Seien mehrere Teilzahlungen vereinbart, so gelte das Darlehen erst mit dem Eingang der letzten Teilzahlung als vollständig empfangen. Es käme folglich darauf an, ob im Zeitpunkt der Kündigung nach der Vereinbarung der Parteien noch weitere Teilzahlungen offen waren oder aber die vereinbarte Bausparsumme erreicht worden sei. Der Eintritt der Zuteilungsreife hat auf die Verpflichtung zur Entrichtung des vertraglich vereinbarten Regelsparbeitrags und damit auf die Valutierung des Darlehens keinen Einfluss. Sie begründet daher nach Auffassung des OLG Stuttgart auch kein Kündigungsrecht.
Die Wüstenrot AG soll gegen das Urteil des OLG Stuttgart Revision eingelegt haben. Mit einer Entscheidung des BGH ist jedoch nicht vor Mitte 2017 zu rechnen.
Es ist also reiflich zu überlegen, ob einer Kündigung des Bausparvertrages entgegengetreten werden sollte, wenn zumindest Zuteilungsreife vorliegt. Einzelfallbezogen wäre zu prüfen, ob die Bausparkasse möglicherweise trotz Zuteilungsreife das Kündigungsrecht verwirkt hat.
Sofern Sie eine Kündigung Ihres Bausparvertrages erhalten haben, berate ich Sie gern.