In der Sache XI ZR 564/15 hat der BGH vor allem zu folgenden zwei Fragen Stellung genommen:
1.) Reichweite der Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung und 2.) Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung bzw. Verwirkung des Widerrufsrechts.
Der BGH hat eine Berufung des beklagten Kreditinstitutes auf die Gesetzlichkeitsfiktion verneint, da die Beklagte eine erhebliche Änderung gegenüber dem Muster vorgenommen habe. Die Änderung lag darin, dass in der Widerrufsbelehrung eines Kreditvertrages – in Abweichung von dem gesetzlichen Musterformular – nach der Frist eine hochgestellte Zahl auf eine am unteren Seitenrand des Formulars abgedruckte Fußnote mit folgendem Text verweist: „Bitte Frist im Einzelfall prüfen.“. Der BGH sah die Widerrufsbelehrung daher als fehlerhaft und den im Juni 2013 erklärten Widerruf des im April 2008 abgeschlossenen Darlehensvertrages folglich als wirksam an. Nach Auffassung des BGH war das Widerrufsrecht auch weder als verwirkt noch rechtsmissbräuchlich ausgeübt.
Die genaueren Gründe teile ich Ihnen hier nach Veröffentlichung des Urteils mit.
Für Widerrufsbelehrung, die diesen Fußnotenhinweis enthalten, kann das Kreditinstitut folglich grundsätzlich nicht die gesetzliche Schutzfiktion in Anspruch nehmen. Es ist aber damit zu rechnen, dass einige Kreditinstitute weiterhin (andere) Abweichungen vom Musterformular trotz der doch eindeutigen Entscheidung des BGH, die sich aber auf ein konkretes Beispiel bezieht, als nicht erheblich erklären und den Widerruf zurückweisen werden in der Hoffnung, der Verbraucher werde davor zurückschrecken, seinen Widerruf gerichtlich durchzusetzen. Einige Kreditinstitute zeigen sich hingegen inzwischen deutlich einigungsbereit. Immerhin ist der wirtschaftliche Schaden für ein Kreditinstitut im Falle der gerichtliche Durchsetzung eines Widerrufs und der entsprechenden Rechtsfolgen nicht unerheblich. So ziehen viele Kreditinstitute inzwischen außergerichtliche Einigungen vor – und ersparen sich damit nicht nur die Prozesskosten, sondern auch oftmals die Zahlung von hohen Nutzungsentschädigungen für die vom Verbraucher geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen.
13. Juli 2016